Mietrecht zu Corona-Zeiten

Allgemein
15. Juni 2020
Kurt Kretschmer, Nevzat Gergec, Wolfgang Müller-Kallweit, Arbeitsrecht, Strafrecht, Baurecht, Bankrecht, Gesellschaftsrecht, Lüneburg, Beratung

I. Bezugnehmend auf die Situation in der Wohnraummiete:

 

Frage 1:  Darf Mietern seit 1. April, die wegen der Corona Pandemie in               Zahlungsschwierigkeiten geraten, nicht nach 2 Monaten Mietrückstand       gekündigt werden?

Grundsätzlich gilt: Zahlt der Mieter für zwei folgende Monate gar keine Miete oder verweigert einen „nicht unerheblichen Teil“, so kann ihm der Vermieter fristlos kündigen. Das steht so in Paragraf §§ 549 Abs. 1 i.V.m. 543 Abs. 2 Ziff. 3 i.V.m. 569 Abs. 3 Ziff. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Auf den Grund kommt es nicht an. Dies wird jetzt jedoch durch das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie“ vom 27.03.2020 eingeschränkt: Dieses Gesetz verbietet es in § 2 zu Art. 240, Mietern wegen Zahlungsrückständen auf Grund von Einkommensausfällen, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 eingetreten sind und die bis zum 30.6.2022 nicht ausgeglichen sind, zu kündigen, sofern die Mietschulden auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie beruhen.

Eingeschränkt wird damit lediglich das Recht zur außerordentlichen bzw. ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses in dem Fall, dass der Mieter auf Grund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie nicht in der Lage ist, im Zeitraum vom 01. April 2020 bis 30. Juni 2020 seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen und die Säumnis sich „allein“ auf diesen Zeitraum bezieht.
Der Gesetzgeber regelt damit keine Mietminderung und damit keinen dauerhaften, endgültigen Erlass der Miete. Aufgeschoben werden damit lediglich die Nachteile aus einer Kündigung wegen Mietrückstand. Die Miete bleibt zu zahlen, und zwar nach der aktuellen Gesetzeslage bis spätestens zum 30. Juni 2022. Bis zum 30.6.2022 haben Mieter demnach Zeit, Corona-bedingte Mietrückstände auszugleichen. Die Kündigung wegen anderer Mietrückstände oder anderer Pflichtverletzungen des Mieters sowie wegen Eigenbedarfs ist ohne weiteres weiterhin möglich.

Welches Vorgehen ist ratsam?

 Gegenwärtig gilt für alle Mietvertragsparteien, sich die nächsten Schritte gut zu überlegen und zu prüfen, was in dieser Zeit un-/möglich bzw. opportun ist. Sie können als Mieter nur an ihren Vermieter appellieren, gemeinsam eine Lösung zu finden. Unser Eindruck in der Kanzlei ist, dass auch viele Vermieter aufgrund der Notlagen derzeit sehr pragmatisch und kulant agieren.

Frage 2:  Muss der Mieter Nachweise erbringen?

Ja, der Mieter muss die Ursächlichkeit der Auswirkungen der Corona-Pandemie für seine vorübergehende Leistungsunfähigkeit glaubhaft machen. Geeignete Mittel zur Glaubhaftmachung sind ausweislich der Gesetzesbegründung insbesondere der Nachweis der Antragstellung bzw. die Bescheinigung über die Gewährung staatlicher Leistungen, Bescheinigungen des Arbeitgebers oder andere Nachweise über das Einkommen bzw. über den Verdienstausfall. In Betracht kommt auch die Abgabe einer (strafbewährten) Versicherung an Eides statt. Der Mieter sollte sich diesbezüglich gut vorbereiten und den Zusammenhang zwischen Mietaussetzung und Corona-Krise ausreichend nachweisen können. Andernfalls läuft er Gefahr, von seinem Vermieter eine berechtigte fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges zu erhalten.

Frage 3:  Was kann der Mieter tun, um die Miete trotz Einbußen zu zahlen?

Mieterinnen und Mieter können sich bei Zahlungsschwierigkeiten zunächst an das Jobcenter wenden. Sie sollten überprüfen lassen, ob ihnen Arbeitslosen-, Kurzarbeiter- oder Wohngeld zusteht. Durch kürzlich beschlossene Änderungen in den Sozialgesetzbüchern kann jetzt der Antrag auf Grundsicherung schnell und formlos telefonisch, per Mail oder Post beim zuständigen Jobcenter gestellt werden. Die neuen Regelungen im Sozialrecht sehen unter anderem vor, dass in den ersten sechs Monaten des Leistungsbezugs die Ausgaben für Miete und Heizung in tatsächlicher Höhe übernommen werden, eine Vermögensprüfung entfällt für diesen Zeitraum. Darüber hinaus können Mieter mit geringem Einkommen einen Antrag auf staatliches Wohngeld stellen. Familien mit Einkommenseinbrüchen können zudem Kinderzuschlag beantragen.

Frage 4: Darf der Mieter derzeit aus Infektionsgründen Wohnungsbesichtigungen für neue Mieter o.ä. ablehnen?

Solange das Kontaktverbot fortbesteht, müssen die Regelungen auch im laufenden Mietverhältnis eingehalten werden. Das betrifft unter anderem Wohnungsbesichtigungen, Belegeinsichten, Durchführung von Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen sowie Modernisierungen. Letztlich muss das Kontaktverbot in allen Bereichen eingehalten werden. Hier muss stets im Einzelfall geprüft werden, welche Maßnahmen erforderlich sind, um das Kontaktverbot einzuhalten. Da die Verordnungen von den einzelnen Bundesländern erlassen worden sind und diese sich im Detail unterscheiden, muss auch hier eine Einzelfallprüfung erfolgen. Besondere Vorsicht sollte jedoch bei gefährdeten Personen gelten. Bei älteren Personen oder jenen mit Vorerkrankungen sollten, im Falle einer unumgänglichen Besichtigung, die Vorsichtsmaßnahmen umso schärfer ausfallen. In jedem Fall sollten die Umstände für den Mieter zumutbar bleiben und die Gesundheit aller im Vordergrund stehen. Für Mieter, die unter Quarantäne stehen, gelten andere Regeln. Hier ist das Gesundheitsamt zu befragen, wie vorgegangen werden soll. Möglicherweise kann eine virtuelle Besichtigung durchgeführt und damit auch das persönliche Risiko minimiert werden. Bei notwendigen Reparaturen (bspw. Rohrbruch) muss der Mieter aber Zugang zur Wohnung gewähren.

Frage 5:  Wie geht es weiter?

Die Mietzahlungspflicht bleibt dem Grunde nach bestehen und ist auch durchsetzbar. Eine Kündigung des Mietvertrages der im festgelegten Zeitraum angesammelten Rückstände soll ab Juli 2022 erst wieder möglich sein. Da die Zahlungspflicht bestehen bleiben soll, stehen dem Vermieter bei Zahlungsrückständen Verzugsansprüche (wie Zinsen) zu. Es besteht mithin die Möglichkeit, dass der Mieter die Mietrückstände in dieser Zeit ausgleicht, andernfalls lebt das Kündigungsrecht des Vermieters wegen diesem Zahlungsverzuges wieder auf. Die Kündigung aus den vorgenannten Gründen ist lediglich bis zum 30. Juni 2022 ausgeschlossen.

 

II. Bezugnehmend auf die Situation in der Gewerberaummiete:

Frage 1: Dürfen Mietzahlungen eingestellt werden?

Bei Gewerberaummietverhältnissen gilt ebenfalls, dass Mietrückstände aus dem Zeitraum April bis Juni 2020 (diesen Zeitraum darf die Bundesregierung im Bedarfsfall verlängern) nicht für eine fristlose oder ordentliche Kündigung seitens des gewerblichen Mieters herangezogen werden dürfen, wenn die Mietrückstände Auswirkungen der Corona–Pandemie sind. Der Gesetzgeber regelt damit keine Mietminderung und damit keinen dauerhaften, endgültigen Erlass der Miete. Aufgeschoben werden damit lediglich die Nachteile aus einer Kündigung wegen Mietrückstand. Die Miete bleibt zu zahlen, und zwar nach der aktuellen Gesetzeslage bis spätestens zum 30. Juni 2022.

Frage 2: Welches Vorgehen ist sinnvoll?

 Einem Gewerberaummieter, dem beispielsweise die Nutzung seiner Einzelhandelsfläche untersagt wurde, kann bis auf weiteres nur angeraten werden, ungekürzt und wie mietvertraglich vereinbart, die Miete an den Vermieter zu leisten. Dennoch ist es so, dass die Mieterschutzregelungen auch für Gewerbetreibende gelten, dass Gesetz vom 27.03.2020 macht explizit keine diesbezügliche Ausnahme.  Was bislang im Bereich der Gewerberaummiete nahezu nie zur Anwendung kam, ist eine Anpassung des Mietvertrages über die sogenannte „Störung der Geschäftsgrundlage“ nach § 313 BGB wegen höherer Gewalt. Nach dieser gesetzlichen Regelung kann eine Anpassung des Mietvertrags verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Dies wiederum gilt jedoch nur dann, wenn eine Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Betrachtet man das Ausmaß der Corona-Krise und insbesondere die wirtschaftlichen Folgen für die Mieter, die, ohne ihre Einzelhandelsfläche betreiben zu können, die vertraglich vereinbarte Miete leisten müssen, kann dieser Umstand durchaus dazu führen, dass eine Anpassung des Mietvertrags zu erfolgen hat. Den betroffenen Mietern ist deshalb weiter anzuraten, sich mit den jeweiligen Vermietern in Verbindung zu setzen und im Rahmen einer Vertragsanpassung eine Reduzierung der geschuldeten Miete während der Dauer der Nutzungsuntersagung auf „null“ einzufordern. Zudem sollte der Mieter dem Vermieter mitteilen, dass die Miete ab sofort lediglich unter dem Vorbehalt der Rückforderung bezahlt wird.

Ausgehend von der aktuellen Rechtslage ist fraglich, ob sich ein Gewerberaumvermieter auf ein solches Begehren eines Mieters einlassen muss. Da jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Rechtsprechung im Rahmen der aktuell vorhandenen Krise die Regelung des § 313 BGB doch anwendet, ist einem Vermieter durchaus anzuraten, sich im Rahmen von Verhandlungen mit dem Mieter zu verständigen und sich im Hinblick auf die zu leistende Miete während der Dauer der Nutzungsuntersagung zu einigen.

Für den Fall, dass es zu einer solchen Einigung kommen sollte, ist aber auf jeden Fall das gesetzliche Schriftformerfordernis nach § 550 BGB zu beachten mit der Folge, dass rein vorsorglich über die Inhalte einer Einigung ein Nachtrag zum bestehenden Mietvertrag geschlossen werden sollte. Dort, wo der Mieter selbst unter Quarantäne gestellt wird, hat er Entschädigungsansprüche nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes, die im Einzelfall (was jeweils zu prüfen ist) auch eine angemessene Entschädigung für zu leistende Miete während der Quarantäne umschließen kann. Ob der jeweilige Mieter sich zumindest an seine Versicherung (bspw. seine Betriebsunterbrechungsversicherung) wenden kann, bleibt nach Maßgabe der geschlossenen Versicherungsverträge zu prüfen.

Frage 3: Welche Nachweise braucht der gewerbliche Mieter?

Mieter von Gewerbeimmobilien können darüber hinaus den Zusammenhang zwischen Corona-Pandemie und Nichtleistung z.B. regelmäßig mit Hinweis darauf glaubhaft machen, dass der Betrieb ihres Unternehmens im Rahmen der Bekämpfung des Coronavirus durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung untersagt oder erheblich eingeschränkt worden ist. Dies betrifft derzeit etwa Gaststätten oder Hotels, deren Betrieb zumindest für touristische Zwecke in vielen Bundesländern untersagt ist.

Frage 4: Was kann der Mieter von Gewerberaum  tun, um die Mietaussetzung zu verhindern?

Das Bundesministerium der Finanzen und die obersten Finanzbehörden der Länder haben verschiedene steuerliche Erleichterungen beschlossen, um die von der Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich betroffenen Steuerpflichtigen zu entlasten. Ziel ist es, die Liquidität bei Unternehmen zu verbessern, die durch die Corona-Krise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. So wird für die Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt, Steuerzahlungen in der Regel zinslos zu stunden. Dies verschafft den Steuerpflichtigen eine Zahlungspause gegenüber dem Finanzamt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Vorauszahlungen zur Einkommen-, Körperschaft- und zur Gewerbesteuer herabzusetzen. Ebenso können die Finanzämter die Sondervorauszahlung für die Dauerfristverlängerung bei der Umsatzsteuer für krisenbetroffene Unternehmern herabsetzen und erstatten. Neben diesen Maßnahmen soll bei den Betroffenen bis zum Ende des Jahres von der Vollstreckung rückständiger Steuerschulden abgesehen werden. Alle Maßnahmen sollen dazu dienen, dass die Betriebe jetzt mit Liquidität ausgestattet sind. Einige Bundesländer zahlen darüber hinaus die bereits geleisteten Umsatzsteuersondervorauszahlungen für 2020 zurück. Die Entscheidung im Einzelfall obliegt nach wie vor den Finanzämtern, den Kommunen bzw. den weiteren Ansprechpartnern.

 

III. Bezugnehmend auf die Situation der Vermieter:

Frage 1: Welche Rechte haben Sie als Vermieter?

Die Mietzahlungspflicht ist von der Gesetzesänderung nicht berührt. Grundsätzlich behält der Vermieter den Zahlungsanspruch. Der Mieter darf sich nicht auf Mietminderung berufen. Der Mieter ist also weiterhin verpflichtet, die vereinbarte Miete pünktlich an den Vermieter zu zahlen. Tritt ein Mietrückstand zwischen April und Juni 2020 ein und sind diese im September 2022 immer noch mit zwei Miethöhen oder mehr im Rückstand, gilt der jetzt beschlossene Kündigungsschutz nicht mehr. Dann dürfen Vermieter ihnen kündigen. Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020 müssen bis zum 30. Juni 2022 beglichen werden, sonst kann den Mietern nach diesem Datum wieder gekündigt werden. „Die Mieten müssen trotz des Kündigungsausschlusses vollständig gezahlt werden. Daran ändern auch die vorübergehenden Regelungen nichts“, erklärte auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. Das Recht, den Mietvertrag aus anderen Gründen als dem Mietrückstand zu kündigen (z.B. Störung des Hausfriedens, Eigenbedarf, etc.), bleibt unberührt. Damit die Regelungen im Gesetz nun nicht für finanzielle Schwierigkeiten bei Vermietern – beispielsweise bei der Bedienung von Immobilienkrediten – führt, wird gleichzeitig eine Stundungsregelung eingeführt. Dies hindert die Kreditinstitute daran, entsprechende Kreditverträge zu kündigen, weil die Kreditraten vom Schuldner nicht gezahlt werden. Dies gilt für Verbraucherverträge, die vor dem 08.03.2020 geschlossen wurden.
Insoweit bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber die eilig ausgehandelten und verabschiedeten gesetzlichen Regelungen erforderlichenfalls noch erweitern wird oder ob die gesetzlich bislang nicht vorgesehene Stundung der laufenden Mietzahlungen von der Rechtsprechung gleichwohl angenommen wird, sofern die Voraussetzungen des Gesetzes im Übrigen vorliegen.

 

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